Die komplexen Zusammenhänge der Braunalgenblüten in der Karibik: Ein multidisziplinärer Forschungsansatz
Die massive Vermehrung von Braunalgen in der Karibik, im Golf von Mexiko und an den Küsten des nördlichen Südamerikas stellt ein komplexes ökologisches und ökonomisches Problem dar, das seit 2011 nahezu jährlich auftritt. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz haben in einer interdisziplinären Studie einen möglichen Hauptfaktor für dieses Phänomen identifiziert: Cyanobakterien, die in Symbiose mit den Algen leben und ihnen essentielle Nährstoffe bereitstellen. Diese Erkenntnisse könnten die bisherigen Annahmen über die Ursachen der Algenblüten revolutionieren und neue Ansätze zur Bekämpfung des Problems eröffnen.
Die ökologischen und ökonomischen Auswirkungen
Die Braunalgenblüten haben weitreichende Konsequenzen für die betroffenen Regionen. Die angespülten, verrottenden Algen setzen giftige Gase wie Schwefelwasserstoff frei, die ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko darstellen. Zudem zehren die absterbenden Algen den Sauerstoff im Wasser auf und ersticken damit das marine Leben in ihrem Umfeld. Die Algen lagern sich auch auf Korallenriffen ab und töten diese, was zu einem weiteren Rückgang der ohnehin bedrohten Riffe führt. Die wirtschaftlichen Folgen sind ebenfalls gravierend: Die Algen verschmutzen die Strände, beeinträchtigen die Fischerei und den Tourismus und verursachen hohe Kosten für die Reinigung der Küsten.
Die Rolle der Cyanobakterien und die Forschungsmethoden
Die Forscher um Jonathan Jung vermuten, dass starke Winde den Aufstieg von phosphorreichem Tiefenwasser begünstigen, das Richtung Karibik strömt. Dieses Wasser fördert das Wachstum von Cyanobakterien, die in Symbiose mit den Braunalgen leben. Die Bakterien fixieren gasförmigen Stickstoff aus der Atmosphäre und machen ihn für die Algen biochemisch verfügbar. Dieser zusätzliche Nährstoffeintrag verschafft den Braunalgen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Algenarten. Um diesen Zusammenhang zu belegen, analysierten die Forscher Korallenbohrkerne aus der Karibik. Diese Korallen bauen während ihres Wachstums chemische Signaturen des Wassers in ihr Kalkskelett ein, ähnlich wie Baumringe. Durch die Analyse der Stickstoffisotope in den Korallenproben konnte das Team für die letzten 120 Jahre nachvollziehen, wie viel Stickstoff von Bakterien fixiert wurde. Die Ergebnisse zeigten eine nahezu perfekte Übereinstimmung zwischen der Stickstofffixierung und der Algenbiomasse seit 2011.
Weitere Forschungsansätze und offene Fragen
Die Beobachtungen aus dem äquatornahen Atlantik könnten die Forschungen der Arbeitsgruppe um Brian Lapointe von der Florida Atlantic University ergänzen. Lapointe und sein Team haben gezeigt, dass die Algen bereits vor 2011 im tropischen Atlantik vorkamen, dort jedoch keine großen Bestände bildeten. Sie schließen nicht aus, dass ein starkes Atmosphären- und Ozeanereignis im Zusammenhang mit der Nordatlantischen Oszillation zusätzliche Algenteppiche in die Region trieb und so das Algenwachstum anheizte. Unklar ist jedoch, ob und in welchem Maß auch andere Faktoren wie Düngereinträge aus dem Amazonasbecken, Haushaltsabwässer oder Autoabgase eine Rolle spielen. Zudem ist noch unklar, ob die Braunalgenpest zukünftig das neue Normal in der Region sein wird und wie man die Algen möglicherweise verwerten könnte.
Die Notwendigkeit eines multidisziplinären Ansatzes
Die komplexen Zusammenhänge der Braunalgenblüten erfordern einen multidisziplinären Forschungsansatz, der ökologische, ökonomische und gesundheitliche Aspekte berücksichtigt. Nur durch die Zusammenarbeit von Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen können die Ursachen des Problems vollständig verstanden und effektive Lösungsstrategien entwickelt werden. Die aktuellen Erkenntnisse der Forscher des Max-Planck-Instituts für Chemie und der Florida Atlantic University sind ein wichtiger Schritt in diese Richtung, zeigen jedoch auch, dass noch weiterer Forschungsbedarf besteht.