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Leucovorin und Autismus: Eine umfassende Analyse der wissenschaftlichen, medizinischen und gesellschaftlichen Implikationen

Die Ankündigung der FDA und die Reaktionen der Fachwelt

Am 22. September 2025 hat Martin Makary, der Leiter der Food and Drug Administration (FDA), im Weißen Haus im Beisein von US-Präsident Donald Trump und Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. angekündigt, dass die Behörde plant, Leucovorin als Medikament gegen Autismus zuzulassen. Makary sagte, dass das Medikament, auch bekannt als Folinsäure, der aktive Form der Folsäure, "Hunderttausenden von Kindern" mit Autismus-Spektrum-Störung (ASS) helfen könnte. Diese Ankündigung hat eine Welle von Reaktionen und Kontroversen in der Fachwelt ausgelöst.

Die wissenschaftliche Basis und die Studienlage

Kritiker der Ankündigung, darunter Ärzte und Wissenschaftler, argumentieren, dass die wissenschaftliche Basis für die Wirksamkeit von Leucovorin nicht ausreichend belegt ist. Sie verweisen auf die begrenzte Anzahl von klinischen Studien und die methodischen Einschränkungen dieser Studien. Eine der Hauptstudien war eine Doppelblindstudie mit rund 80 Kindern im Alter von zwei bis zehn Jahren, bei der die Kinder, die Leucovorin erhalten haben, größere Verbesserungen in sozialen Interaktionen und Sprachfähigkeiten gezeigt haben als diejenigen, die ein Placebo erhalten haben. Allerdings haben einige Fachleute Bedenken geäußert, dass die Bewertung der Fortschritte subjektiv war und die Probandenzahl zu klein, um subtile Unterschiede in der Reaktion zu erkennen.

Die Interpretation der Studien und die Meinungen der Experten

Die Interpretation der Studien und die Meinungen der Experten zu Leucovorin sind gespalten. Dan Rossignol, ein Hausarzt in Kalifornien, der das Mittel gelegentlich autistischen Kindern verschreibt, ist der Meinung, dass die Wirkung von Leucovorin in den Studien so groß war, dass sie selbst bei kleinen Teilnehmerzahlen sichtbar wurde. Er verweist auf eine frühere klinische Studie mit nur 48 Kindern, bei der sich Patienten, die Leucovorin einnahmen, in standardisierten Sprachtests deutlich verbesserten. Rossignol betont jedoch auch, dass weitere Studien mit mehr Kindern nötig sind, um herauszufinden, welche Kinder besser auf das Medikament ansprechen.

Auf der anderen Seite warnen Experten wie Rebecca Schmidt, eine Molekularepidemiologin an der University of California in Davis, und Alycia Halladay, die wissenschaftliche Leiterin der Autism Science Foundation in New York, davor, falsche Hoffnungen zu wecken. Sie betonen, dass Leucovorin nicht für alle autistischen Kinder geeignet ist und dass weitere Studien nötig sind, um die Wirkung und Sicherheit des Medikaments zu verstehen. Halladay sagt: "In Facebook-Gruppen sagen Familien: ›Wir können jetzt ein Rezept bekommen‹. Aber das wird nicht passieren."

Die Pläne der FDA und die zukünftigen Studien

Nach den aktuellen Plänen der FDA soll Leucovorin nur einem kleinen Teil autistischer Menschen zugänglich sein, nämlich denen mit niedrigen Folatwerten in der Gehirn- und Rückenmarksflüssigkeit. Dies betrifft etwa 7 bis 30 Prozent der autistischen Menschen, je nachdem, wie der Folatspiegel gemessen wird. Die FDA plant auch, die Auswirkungen der erwarteten Zulassung zu beobachten und mögliche weitere Vorteile von Leucovorin bei Autismus zu untersuchen. Wie diese Studien aussehen sollen, ist jedoch noch nicht bekannt.

Die gesellschaftlichen Implikationen und die Kontroversen

Die Ankündigung der FDA hat nicht nur wissenschaftliche und medizinische, sondern auch gesellschaftliche Kontroversen ausgelöst. Einige Familien mit autistischen Kindern haben bereits Interesse an Leucovorin gezeigt und suchen nach Ärzten, die es verschreiben. Allerdings gibt es Bedenken, dass das Medikament ohne ausreichende Sicherheitsdaten für Kinder verschrieben wird. Zudem gibt es Bedenken, dass Schwangere beginnen könnten, Leucovorin einzunehmen, obwohl es noch weniger Daten über die geeigneten Dosierungen in der Schwangerschaft gibt.

Ein weiterer Streitpunkt ist die Frage, ob Leucovorin ein Wundermittel gegen Autismus ist. Experten betonen, dass Autismus komplex ist und vermutlich durch ein Zusammenspiel vieler verschiedener Faktoren entsteht. Daher gibt es wahrscheinlich keine Therapie, die für alle geeignet ist. James Cusack, der Geschäftsführer der britischen Autismusstiftung Autistica in London, der selbst autistisch ist, sagt: "Das Ganze ist eine Ablenkung, eine Verschwendung von Zeit, Ressourcen und Mühe." Er betont, dass das dringendste Ziel sei, die Ungleichheiten zu erkennen, die autistische Menschen erleben, und Wege zu finden, ihnen Zugang zu Gesundheitsversorgung, psychologischer Hilfe und Unterstützung bei der Arbeit zu ermöglichen.

Die Zukunft von Leucovorin und die offenen Fragen

Die Zukunft von Leucovorin als Medikament gegen Autismus hängt von vielen offenen Fragen ab. Es gibt Bedenken hinsichtlich der Sicherheit und Eignung des Medikaments für Kinder und Schwangere. Zudem gibt es Fragen zur Dosierung, zur Dauer der Einnahme und zu den langfristigen Auswirkungen des Medikaments. Die FDA und andere Gesundheitsbehörden stehen vor der Herausforderung, diese Fragen zu beantworten und gleichzeitig den Bedürfnissen und Hoffnungen der Familien mit autistischen Kindern gerecht zu werden.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Diskussion über die richtige Terminologie und die Wahrnehmung von Autismus in der Gesellschaft. Die Ankündigung der FDA und die Diskussion über Leucovorin haben diese Diskussionen wieder in den Vordergrund gerückt. Es gibt unterschiedliche Meinungen und Vorlieben darüber, wie man über Autismus sprechen sollte, und diese Diskussionen sind wichtig für das Verständnis und die Akzeptanz von Autismus in der Gesellschaft.

Quiz

  1. 1. Wer hat die Zulassung von Leucovorin als Medikament gegen Autismus angekündigt und in welchem Kontext?



  2. 2. Was sind die Hauptbedenken der Fachleute gegenüber der Zulassung von Leucovorin?




  3. 3. Was haben die Studien über Leucovorin gezeigt und was sind die Einschränkungen dieser Studien?



  4. 4. Was sind die Pläne der FDA in Bezug auf Leucovorin und welche Fragen sind noch offen?

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