Die Ukraine lockert Ausreiseregeln für junge Männer: Ein Schritt zur Verbesserung der Bildungschancen oder eine Verschärfung der demografischen Probleme?
Die Ukraine hat neue Regeln für die Ausreise von jungen Männern eingeführt. Seit dem 28. August dürfen Männer, die nicht älter als 22 Jahre sind, die Grenze überqueren. Die Ministerpräsidentin Julija Swyrydenko betont, dass die Ukrainer Kontakt zur Ukraine halten sollen. Der Präsident Wolodymyr Selenskyj hat diese Änderung versprochen. Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar 2022 durften Männer zwischen 18 und 60 Jahren nicht ausreisen.
Ziel der neuen Regelung
Die neuen Regelungen sollen jungen Ukrainern bessere Möglichkeiten für ein Studium, für Praktika und legale Beschäftigungen im Ausland eröffnen. Der ukrainische Innenminister Ihor Klymenko schreibt auf Telegram, dass die jungen Ukrainer Erfahrungen sammeln und später beim Aufbau der Ukraine helfen sollen. "Wir tun unser Bestes, um sicherzustellen, dass die ukrainische Jugend Zugang zu hochwertiger Bildung und internationaler Erfahrung hat und gleichzeitig ein starker Bestandteil unseres Staates bleibt."
Ausnahmen und Einschränkungen
Die neuen Regelungen gelten nicht für Personen, die bestimmte Ämter in Behörden, staatlichen Stellen und Organen der lokalen Selbstverwaltung innehaben. Oberst Andrij Demtschenko, Sprecher des Grenzdienstes der Ukraine, bestätigt, dass Männer bis zu ihrem 23. Geburtstag die Grenze nun ungehindert überqueren können.
Demografische Herausforderungen
Ein ernsthaftes Problem für die Ukraine war der Verlust junger Männer, die von ihren Eltern ins Ausland gebracht wurden, um einer Einberufung zu entgehen. Fedir Wenislawskyj, ein Abgeordnete der Regierungspartei "Diener des Volkes", sagt, dass die Ukraine eine ganze Generation verlieren könnte, wenn junge Menschen nicht zurückkehren. "Wir mobilisieren keine Menschen unter 25 Jahren. Und es ist falsch, ihnen die Möglichkeit zu nehmen, das Land zu verlassen oder nach Hause zurückzukehren, wenn sie bereits im Ausland studieren. So verlieren wir eine ganze Generation."
Meinungen von Experten
Sozialforscher Oleksandr Hladun glaubt nicht, dass ein legaler Auslandsaufenthalt zur Rückkehr junger Menschen beitragen wird. Er findet, dass dieser Schritt die demografischen Probleme in der Ukraine noch verschärfen wird. "Dieser Beschluss führt dazu, dass Leute weggehen, niemand wird zurückkehren", sagt Hladun. "Einerseits heißt es von den Behörden, an der Front und im Hinterland gebe es nicht genug Menschen und dass Ausländer für Arbeitsplätze gebraucht würden, und dann wird die Ausreise von Männern begünstigt."
Oleksij Antypowytsch, ein Meinungsforscher, sieht darin jedoch kein großes Problem. Er glaubt, dass dies keine kritischen Auswirkungen auf die demografische Lage im Land haben wird. "Es ist klar, dass vor allem junge Männer ins Ausland wollen, weil sie ab einem Alter von 25 Jahren zur Armee eingezogen werden können. Aber seien wir ehrlich: Wir sind im vierten Kriegsjahr und alle Eltern, die ihre Kinder außer Landes oder zum Studium ins Ausland bringen wollten, haben dies bereits getan."
